Martinos Petzolt in der Sakristei

„Wir müssen noch den Reifendruck prüfen gehen“, begrüßt mich der griechisch-orthodoxe Priester und 5-fache Vater und steigt in den dunkelroten Ford Fiesta. Fast 400 Kilometer werden wir heute fahren. Für Erzpriester Martinos Alltag; wenn er nicht gerade in Griechenland unterwegs ist. Seine Gemeinde erstreckt sich von Würzburg bis Schwäbisch Hall.

Ein Orgelkonzert anlässlich des Geburtstags seines evangelischen Kollegen in Künzelsau, eine Taufe am Stadtrand, die vor lauter Handykameras, Videografen und quatschenden Angehörigen fast unterzugehen scheint, ein Krankenbesuch in Öhringen, der scheitert, weil die Dame eine Stunde zuvor mit Lungenembolie vom Krankenwagen abgeholt wurde. Weiter mit dem Auto, um auf einem Parkplatz eine Urkunde zu beglaubigen und eine alte Griechin in der Psychiatrie zu besuchen. Zuletzt eine Wohnungssegnung in Schwäbisch Hall bei einer neu zugezogenen Familie.

Abends fahren wir weiter nach Heilbronn zu griechischen Einwanderern, welche eine Gaststätte betreiben; Martinos soll dort die Beichte abnehmen. Einem dort wohnenden orthodoxen Mönch bringt er Holz zum Schnitzen neuer Kreuze mit. „Unnütze Zeit“ schimpft der Priester über die Autofahrten. Das vielleicht, aber keinesfalls verschwendete.

Dieser Text erschien 2020 erstmals im theo-Magazin.

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